Süddeutsche Zeitung: Täglich eine Meile laufen
Die Süddeutsche Zeitung hat den Mehrwert von The Daily Mile erkannt und berichtet. Unsere Botschafterin Anna Limbach im Interview mit der Süddeutschen Zeitung über mehr Bewegung im Home-Office, soziale Normen und The Daily Mile in Deutschland.
Fit bleiben im Homeoffice: die Säbelfechterin Anna Limbach hat den Wert von Ritualen im Sport untersucht. Ein Interview zum SZ-Minutenmarathon
Sie sind mehrfache Deutsche Meisterin im Säbelfechten und haben eine wissenschaftliche Arbeit über Bewegung im beruflichen Kontext geschrieben. Für Sport ist gerade eigentlich keine gute Zeit, oder?
Ich stelle fest, dass zumindest bei mir Homeoffice vor allem heißt, dass ich mich weniger bewege. Allein deshalb, weil ich nicht mehr zur Arbeit fahre, dort nicht herumlaufe, sondern mehr daheim sitze und mich dadurch viel weniger bewege. Ich hatte Tage, an denen ich kein Training hatte und nicht ins Büro musste, da bin ich nur 300 Schritte gegangen bin. Das ist natürlich sehr schlecht, wenn man sich den ganzen Tag kaum bewegt und den Kreislauf nicht richtig hochfahren kann.
Was kann man da tun?
Ich finde es schon wichtig, dass der Arbeitgeber hier seine Verantwortung erkennt und immer wieder auch daran erinnert, was gut tut im Homeoffice: dass man regelmäßig aufsteht, lüftet und sich bewegt. Darüber hinaus gibt es dann verschiedene Formate: Der Arbeitgeber könnte selber Kurse anbieten bzw. in Kooperation mit Fitness-Studios Kurse entwickeln, die online stattfinden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daran erinnern, sich sportlich zu betätigen. Wenn man morgens Yoga oder Pilates per Videocall anbietet, so dass auch alle im Homeoffice mitmachen können, ist das schon ein guter Impuls.
Man kann auch jeden Tag, eine Viertelstunde rausgehen und laufen. Das bieten wir bei der SZ gerade im Minutenmarathon an und darum geht es auch bei „The Daily Mile“ aus Schottland, einem Konzept für das Sie als Deutschland-Botschafterin arbeiten.
2012 hatte Elaine Wyllie die Idee dazu. Sie war damals Schuldirektorin an einer schottischen Grundschule und hat festgestellt, dass die Kinder immer unkonzentrierter und unfitter wurden. Deshalb hat sie entschieden, dass die Kinder jeden Tag eine Viertelstunde an der frischen Luft laufen sollten. Den Kindern hat das total viel Spaß gemacht, gleichzeitig waren die Kinder nach dem Lauf aber auch deutlich konzentrierter. Deshalb hat Elaine Wyllie daraus ein festes Ritual gemacht: Jeden Tag ohne Umziehen raus aus der Klasse und eine Viertelstunde an der frischen Luft laufen, wann immer es in den Lehrplan passt oder die Kinder mal eine Auszeit brauchen.
Dann hat sie rausgefunden, dass diese fünfzehn Minuten ziemlich genau der Distanz einer Meile entspricht: also 1,6 Kilometer. So entstand die Idee zur täglichen Meile: The Daily Mile.
Sie hat das für ihre Klasse immer weitergemacht. Dann kamen andere Klassen dazu und ein örtlicher Journalist bekam Wind davon. Er hat darüber geschrieben und so hat sich die Idee immer weiter verbreitet, die positiven Effekte waren unbestreitbar. Mittlerweile nennt sich Schottland selbst „The Daily Mile“-Nation und versucht, 90 Prozent aller Grundschulen und Kindergärten dazu zu bringen, täglich eine Meile zu laufen. In England läuft bereits jede vierte Schule die tägliche Meile. Diese Motivation würde ich mir auch für Grundschulen und Kindergärten in Deutschland wünschen. Im Sportunterricht kommen oft die Kinder zu kurz, die am meisten von dieser Regelmäßigkeit der Bewegung profitieren würden. Die Kinder erkennen langfristig, wie simpel es ist ohne Anweisung aktiv zu sein.
Dabei gibt es für Kinder ja sogar den regelmäßigen Sportunterricht in der Schule. Sie haben eine wissenschaftliche Arbeit darüber geschrieben, wie Menschen, die nicht mehr in die Schule gehen, sportlicher werden können. Was haben Sie herausgefunden?
Es ist seit Jahren erwiesen, dass 15 Minuten Sport am Tag eine positive Wirkung erzielen können. Trotzdem machen das nur sehr wenige, oft fällt es schwer dies in den Alltag zu integrieren, obwohl wir ja eigentlich nur von 15 Minuten reden und wir wissen welche Folgen Inaktivität für uns langfristig hat. Daher braucht es Initiativen wie The Daily Mile oder den Minutenmarathon, um zu erinnern und zu motivieren. So können soziale Normen entstehen, die dann eine Gewohnheit bilden. Nehmen wir zum Beispiel das tägliche Zähneputzen. Warum machen wir das? Weil wir wissen, dass wir sonst Karies kriegen oder liegt das auch daran, dass der Partner sonst merkt „ich hab mir nicht die Zähne geputzt“? Das könnte man auch auf den Sport übertragen und für ein sportlicheres Leben nutzen.
Wie kann das gehen?
Das soziale Umfeld spielt da eine wichtige Rolle. Wenn Sie das Ziel haben, sportlicher werden zu wollen, sollten Sie sich mit Leuten umgeben, die auch aktiv sind. Ich habe gerade eine Studie gelesen, die besagt, dass das Gewicht der Menschen im sozialen Umfeld eng mit dem eigenen Gewicht zusammenhängt. Es scheint so zu sein, dass man die Gewohnheiten dieser Menschen annimmt und sich auch mehr bewegt.
Welche Rolle spielen diese sozialen Normen im beruflichen Umfeld?
Da gilt das natürlich genau so. Deshalb sollte der Arbeitgeber hier seine Verantwortung annehmen und das auch fördern, indem er zum Beispiel flexibles Arbeiten erlaubt und sportliche Angebote schafft. Dazu zählt Beratung und Begleitung. Da geht es viel um Kommunikation. Oft helfen kreative Ideen wie die Einführung von einem „Fitness-Parkplatz“ (der besonders weit vom Arbeitsplatz entfernt ist) oder andere Kommunikationsstrategien, die die soziale Normbildung innerhalb des Unternehmens unterstützen. Grundsätzlich geht es darum, dass der Arbeitgeber herausfindet, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich wünschen. Dies habe ich in meiner Forschung abgefragt und konkret umsetzen können.
Und wie kann ich mich selbst motivieren – gerade jetzt in Homeoffice-Zeiten?
Man sollte Spaß an dem Sport haben. Das heißt, man darf es nicht übertreiben und man sollte es auch nicht tun, um andere zu beeindrucken oder anderen zu gefallen. Es geht um mich selbst und um mein Wohlbefinden. Um das zu steigern, kann man das Laufen in den Tagesablauf integrieren und Rituale schaffen, so dass man zum Beispiel immer zum Bäcker läuft oder stets den Weg läuft, den man zurücklegen muss, um die Kinder zur Schule zu bringen. Ich finde es auch hilfreich, abends schon die Sportsachen hinzulegen, die man am nächsten Morgen zum Laufen braucht.
Hier das gesamte Interview: Die tägliche Meile – Sport – SZ.de (sueddeutsche.de)
Dirk von Gehlen